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„Freude oder Furcht – oder beides?“ fragten wir im vergangenen Jahr die Leser, um zu erfahren, wie und mit welchen Gefühlen ehemalige politisch Verfolgte der SBZ/DDR den Fall der Mauer 1989 erlebten. Die Veröffentlichung der Zuschriften wird bis zum Jahresende fortgesetzt.
Am 7. September 1953 verurteilte das Bezirksgericht der DDR Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) aus politischen Gründen meinen Kollegen Werner Hoffmann zum Tode und gleichzeitig Lothar Scheuner, Ulrich Kirmse und mich zu lebenslänglich sowie Irene Hoffmann zu 15 Jahren Zuchthaus. Werner wurde hingerichtet, unsere Berufungen ohne Verhandlung zurückgewiesen. Nach elf Jahren, am 17. Dezember 1964, wurde ich aus dem Zuchthaus Brandenburg entlassen. In Nordhausen wurde ich vom Schlepperwerk, dem späteren Motorenwerk, als „Sachbearbeiter für neue Lohnformen“ eingestellt. Diese Arbeit führte ich bis 1975 aus; dann war ich im Großhandelsbetrieb „Waren täglicher Bedarf“ als Justitiar tätig, ab 1990 als Leiter des Rechtsamtes der Stadt Nordhausen.
Die Ereignisse im Herbst des Jahres 1989 erfüllten mich mit großer Freude und Genugtuung. Die Macht der SED brach Schritt für Schritt auseinander, und der Weg für die Vereinigung der beiden deutschen Staaten öffnete sich. Bis dahin mußte ich fürchten, während einer innenpolitischen Krise verhaftet zu werden, denn mir war bekannt, daß ich von der Staatssicherheit in ihrer Vorbeugekartei für Festnahmen geführt wurde. In der DDR waren Isolierungslager für Oppositionelle, politisch Verurteilte und andere politisch Unzuverlässige vorbereitet worden.
Doch nach dem Mauerfall hatte ich in dieser Hinsicht keinerlei Befürchtungen mehr, ich fühlte mich absolut sicher. In einem vereinigten Deutschland mit einer wirklichen Rechtsordnung brauchte ich keine Angst mehr vor unrechtmäßigen Freiheitsbeschränkungen zu haben. Das machte mich froh! Jedenfalls überwog meine Freude über die gewonnene Freiheit bei weitem alle Gefühle von Unsicherheit, die noch nicht völlig ausgeräumt waren. Heute kann ich mit Gelassenheit auf den Verlauf und die Ergebnisse meines Lebensweges zurückblicken.
Autor: Helmut Pfeiffer, Nordhausen

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