Bau der Mauer 1961

Fast drei Jahrzehnte teilte sie Deutschland, trennte Systeme, entzweite Familien: Der Bau der Mauer begann vor 60 Jahren. Welche Rolle spielte die Stasi?

Fassungslos verfolgen die Berliner, was in den frühen Morgenstunden des 13. August 1961 geschieht: Sicherheitskräfte der DDR riegeln die Sektorengrenze ab. Volks- und Grenzpolizisten, Mitglieder von Kampfgruppen, reißen Straßenpflaster auf, errichten Barrikaden aus Pflastersteinen, rammen Betonpfähle ein und ziehen Stacheldrahtverhaue. Nur wenige Kontrollpunkte bleiben offen, fast alle S- und U-Bahnlinien werden gekappt. Berlin ist geteilt – und wird es 28 Jahre bleiben. Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) mauert seine Bürger ein.

Für die DDR-Staatssicherheit, organisiert in einem eigenen Ministerium, an dessen Spitze über viele Jahre Erich Mielke steht, ist das ein Glücksfall. Zu diesem Schluss kommen die Autoren Daniel und Jürgen Ast sowie Hans-Hermann Hertle in einer ARD-Fernsehdokumentation, an der auch die Deutsche Welle beteiligt ist. Die Mauer und mit ihr die Abschottung Ostdeutschlands ist der Stasi „Garant für die Macht, ihr Lebenselixier“. Vom 13. August 1961 bis zum 9. November 1989 hätten Zehntausende von Stasi-Leuten nur ein Ziel gehabt: Die Mauer für die eigene Bevölkerung unüberwindbar zu machen.

„Überwachung immer wichtiger“

Dafür werden Menschen abgehört, Post geöffnet, Spitzel auf Freunde und sogar Eheleute angesetzt: Der Film erzählt von den Mechanismen des DDR-Unrechtsstaates und der wachsenden Rolle des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). „Das MfS gewann mit der Mauer an Bedeutung“, sagt im Film der ehemalige Stasi-Oberstleutnant Harald Jäger, „die Aufgaben wurden immer größer, sprich: die Überwachung immer allseitiger.“ Stasi-Chef Mielke hatte schon gleich nach dem Mauerbau verkündet: „Die Situation nach dem 13. August zeigt, dass die Errichtung eines antifaschistischen Schutzwalles für die Bürger der DDR gut und richtig ist. Die Arbeiterklasse hat die Macht erobert, um sie nie wieder abzugeben!“

Immer undurchlässiger wird dieses Bollwerk – vor allem dank der sichtbaren und subtilen Arbeit von Mielkes Kontrollmaschinerie. Menschen, als „Republikflüchtige“ verunglimpft, sterben im Kugelhagel von Grenzpolizisten. „In meinen Augen waren das damals Schufte. Für uns waren das Verräter, die unseren Staat verraten wollten. Egal aus welchen Motiven heraus, politische oder wirtschaftliche. Nichts rechtfertigte eine Flucht!“, sagt im Film Stasi-Mann Jäger.

Fluchtwillige werden festgenommen, landen in Gefängnissen oder werden im Tausch gegen Devisen an den Westen „verkauft“. Wenn Tunnelgräber auffliegen, Reisende aus Berlin beim Grenzübertritt durchleuchtet oder als „Inoffizielle Mitabeiter“ für die Stasi rekrutiert werden – immer und überall haben Mielkes Spezialisten von „Horch und Greif“, wie die Stasi im Volksmund hieß, ihre Finger im Spiel.

„Keine Absicht zum Mauerbau“

Der Befehl zum Mauerbau? Den hatte SED-Chef Walter Ulbricht erteilt, nur zwei Monate nachdem er vor der Weltpresse versichert hatte:

„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“. Viele Historiker glauben heute: Die SED und Ulbricht wollten die Grenze in Berlin schon viel früher dicht machen: Schon 1952 ließ Moskau die innerdeutsche Grenze abriegeln. Immer mehr Ostdeutsche nutzten jetzt das „Schlupfloch“ West-Berlin. Die DDR blutete aus. Ulbricht wollte das Loch stopfen, daher sein Befehl. Ulbricht – ein Lügner?

Die Fernsehdokumentation liefert Innenansichten des DDR-Regimes. Einstige Stasi-Verantwortliche kommen zu Wort und kommentieren die selten gezeigten historischen Originalaufnahmen. „Die Mauer musste auf der einen Seite psychisch und physisch erhalten werden. Auf der anderen Seite wollten wir uns weltoffen darstellen“, analysiert Stasi-Offizier Günther Enterlein rückblickend, „für uns war es Arbeit, zunehmend Arbeit.“ In den letzten Tagen der DDR, als der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow auf Glasnost und Perestrojka (Politik der Offenheit und Umgestaltung) setzte, geriet auch das DDR-Regime unter Druck. „Alles was mit Entspannung zu tun hatte“, erinnert sich Enterlein, „war für uns, die Staatssicherheit, kreuzgefährlich.“

Zwischen 1961 und 1989 wurden mindestens 140 Menschen an der Berliner Mauer getötet oder kamen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem DDR-Grenzregime ums Leben. Der DDR sicherte die Mauer ihren langen Bestand. Mielkes Imperium verdankte dem „antifaschistischen Schutzwall“ seine Blütezeit. Mit dem Fall der Mauerfall gingen beide sang- und klanglos unter. Ironie der Geschichte: es war ein Stasi-Mann, der am 9. November 1989 den Schlagbaum an der Bornholmer Straße öffnete – und damit die Berliner Mauer.

Die Fernseh-Doku „Die Stasi und die Mauer“ hat am 11. August 2021 im Berliner „Campus für Demokratie“, der ehemaligen Stasi-Zentrale, Premiere. Die Deutsche Welle strahlt die ARD-Koproduktion dann eine Woche später, am 17. August 2021, aus.

Autor: Stefan Dege

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